Interview mit Monique Widmer und Gilda Barbosa, Museumsgründerinnen und Freundinnen aus Fogo
ZEITSPRÜNGE. ZEITGESCHICHTE.
"Jedes noch so kleine Teil hat seine eigene Geschichte" vermitteln uns Monique und Gilda. Die beiden gründeten vor 20 Jahren das "Casa da Memória", ein Kulturzentrum und Museum im historischen Stadtkern von São Filipe auf Fogo. Monique und Gilda sind Sozialarbeiterinnen im Ruhestand und lernten sich über internationale Wohlfahrtsverbände vor vielen Jahrzehnten kennen. Zwei starke Frauen mit einer spannenden Geschichte machen Geschichte zu ihrem Lebenswerk. Monique ist ursprünglich aus der Schweiz und kam nach einigen Jahren in Portugal berufsbedingt auf die Kapverden, Gilda stammt aus einer alteingesessenen kapverdischen Familie aus Fogo.
vista verde tours: Das "Casa da Memória" feiert seinen 20. Geburtstag dieses Jahr - Herzlichen Glückwunsch. Seit 20 Jahren betreut, sammelt, recherchiert und archiviert Monique ihre Ausstellungsstücke in São Filipe auf Fogo um sie der Öffentlichkeit zugänglich zu machen - wie entstand die Idee, das „Casa da Memória“ zu erschaffen?
Monique: Wir können keinen genauen Zeitpunkt nennen, wann konkret die Idee zu Casa da Memória entstand. Das Haus in dem das Casa da Memória und die Bibliothek jetzt untergebracht sind, gehörte Gildas Familie, der Familie Barbosa. Ich erwarb das Haus mit der Idee, hier einen öffentlichen, kulturellen Raum zu schaffen. Die Idee entwickelte sich weiter, als wir einige spannende Alltagsgegenstände fanden, die langsam in Vergessenheit geraten sind. Nach vielen und langen Gesprächen stand fest, diese Dinge sollten in Erinnerung bleiben, also entstand die Idee das Haus der Erinnerungen zu schaffen.
vista verde tours: Mit eurer Initiative seid ihr neue Wege gegangen und arbeitet mit starken Menschen zusammen. Welche Inhalte und Werte spielen hier eine besondere Rolle, gab es einen Wandel?
Gilda: Mit einfachen Alltagsgegenständen, aber auch mit Dokumenten zur Geschichte der kapverdischen Inseln, und natürlich mit dem Schwerpunkt hier auf Fogo. Das Casa da Memória richtet sich nicht nur an ausländische BesucherInnen, sondern auch an Einheimische, damit die Geschichte erhalten und lebendig bleibt. Es geht uns darum, die Geschichte nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Durch unsere Fundstücke bleibt sie auch den jüngeren Generationen lebendiger vor Augen. Es geht uns um den Erhalt des kulturellen Erbes.
vista verde tours: Ihr schafft Raum für Erfahrungen im Museum, um Alltagskultur greifbar zu machen. Welche mittel- oder langfristigen Ziele werden mit diesem Projekt verfolgt? Konntet Ihr bereits Ziele erreichen?
Monique: Nicht nur Möbel und Alltagsgegenstände befinden sich im Casa da Memória, sondern hier gibt es auch zahlreiche alte Dokumente und Bücher. Gildas Familie ist eine sehr belesene Familie, dadurch sind hier einige alte Schätze erhalten. Diese Einzelstücke sind allerdings nicht öffentlich zugänglich, können aber auf Anfrage genutzt werden.
Ein Ziel haben wir 2015 erreicht, nachdem wir über 700 Gegenstände fotografiert und katalogisiert haben.
vista verde tours: Welche Schätze kann man im Casa da Memória bestaunen, woher kommen diese „Fundstücke“? Worauf seid ihr persönlich ganz besonders stolz? Gibt es absolute „Highlights?
Monique: Mit einer Unterstützung der amerikanischen Botschafter konnten wir hier in den Räumen des Casa da Memória ebenfalls eine Bibliothek eröffnen. Hier finden sich Bücher, Artikel und Fotos über die Kapverden, vor allem natürlich Fogo, aber auch Bücher von kapverdischen Schriftstellern. Das macht uns stolz! Denn es gibt auf den Inseln wenig Lesematerial zu der Geschichte dieses Archipels.
vista verde tours: Museen und Ausstellungen sind offene Begegnungsstätten. Neben den Exponaten und Ausstellungsstücken haben auch immer wieder kleine Veranstaltungen stattgefunden. Warum ging es hier und was war die Intention?
Monique: Im Casa da Memória fanden auch immer Kinoabende, Ausstellungen, Buchvorstellungen oder Lesungen statt. Kinoabende z. B. sind jetzt nicht mehr aktuell. Heutzutage schauen die Leute lieber zu Hause einen Film an, und gehen nicht mehr raus um einen Film zu sehen und anschließend darüber zu diskutieren. Allerdings waren genau diese Diskussionen zwischen Jung und Alt nach einem solchen Film immer sehr bereichernd.
vista verde tours: Das Museum verändert sich ständig, Konzepte und Ressourcen wandeln sich, Öffentlichkeitsarbeit findet auf neuen Kanälen statt. Wie hat euch das Casa da Memória in den letzten 20 Jahren verändert?
Gilda: Das Casa da Memória ist in den letzten 20 Jahren stetig gewachsen. Es fing an mit der Idee, einige Dinge auszustellen. Mit wenigen Ausstellungsstücken haben wir angefangen. Im Laufe der Zeit sind immer mehr Gegenstände hinzu gekommen, die natürlich auch zum Teil repariert und restauriert werden mussten.
Nun heisst es, den Eintritt in das digitale Zeitalter zu schaffen. Der erste Schritt ist bereits mit einer neuen Webseite getan (https://gersonbsemedo.wixsite.com/my-site-9 ). Das nächste Ziel ist eine online Bibliothek zu schaffen. Hieran arbeiten wir, aber das braucht noch ein wenig Zeit.
Lieblingsstücke gibt es im Casa da Memória nicht. Es sind vor allem die Erinnerungen, die die einzelnen Stücke hervorrufen. Die Sättel, als es noch keine Autos hier gab und man nur mit Pferd oder Muli unterwegs war. Die Schiefertafel die an die eigene Schulzeit erinnert- Das Geschirr welches aus vielen verschiedenen Ländern stammt oder auch die alten Münzen. Der Schrankkoffer, den man bei den langen Seereisen benötigte. Jedes dieser noch so kleinen Teile hat seine eigene Geschichte.
vista verde tours: Museumsarbeit bedeutet Engagement, Forschen, Vermitteln, Bilden, Präsentieren – Eure Arbeit im Museum ist vielschichtig und bunt. Was sind die schönsten Erinnerungen hier aus den letzten 20 Jahren?
Gilda: Die schönsten Erinnerungen die wir mit dem Casa da Memória verbinden sind die Begegnungen und die Gespräche mit den Gästen. In den Jahren haben ca. 30 000 Gäste das Casa da Memória besucht. Wichtig für uns ist, dass es nicht nur eine starre Ausstellung ist, sondern das die Gäste die Geschichte erleben, die Geschichte lebendig bleibt.
Casa da Memória ist kein Museum im eigentlichen Sinne, es ist eine private Initiative, und das soll auch in Zukunft so bleiben.
CASA DA MEMÓRIA Öffnungszeiten
C.P. 17 Mi - Do - Fr
Ilha do Fogo 10h00 - 12h00
Cidade de São Filipe https://gersonbsemedo.wixsite.com/my-site-9
CABO VERDE
Herzlichen Dank an Helga, Monique und Gilda für dieses Interview, das am 5.Mai 2021 in São Filipe auf Fogo auf Creolo von unserer Kollegin Helga Amado Alves geführt wurde.