Julia Neubing, die im Rahmen ihres Auslandssmesters vista verde tours in Mindelo
unterstützt, berichtet von ganz besonderen Erlebnissen mit Jugendlichen
Lernzeit im Blauwasser
High School at sea – study and sail:
die A+ World Academy taucht in die Kultur von São Vicente ein
Es ist nicht immer leicht, aus der eigenen Kultur auszubrechen. 60 Jugendliche wagen das Experiment: am 20. Dezember 2022 läuft die norwegische Sørlandet im Hafen von Mindelo auf São Vicente ein. Ihre Reise begann im vergangenen Herbst in Norwegen, dem Heimatland der meisten Crewmitglieder, führte durch europäische Atlantikhäfen und nach dem Besuch auf Cabo Verde steht die Überquerung des Atlantischen Ozeans an. 20 Städte in 14 Ländern auf vier Kontinenten wollen in 11 Monaten auf dem ältesten aktiven Großsegler erkundet werden. vista verde tours begleitet die Jugendlichen auf ihrem ersten Landgang ausserhalb Europas in Mindelo.
A+ World Academy ist ein internationales High School und Auslandsjahrprogramm und bietet den Jugendlichen und jungen Erwachsenen ein erlebnispädagogisches Langszeitprojekt. Nicht nur der Campus unter Segeln steht im Fokus, den Studenten wird auch ein Bildungsprogramm vorgeschlagen, welches sie zu Weltbürgern und Führungskräften des 21. Jahrhunderts macht. Rigoros, anstrengend und erstaunlich.
Ihre Ziele sind neben der akademischen Bildung auch die Stärkung von immateriellen Werten wie Toleranz, globale Perspektive und interkulturelle Erfahrung. Die Jugendlichen lernen auf See neben den Grundsätzen des Gemeinschaftslebens auch das so genannte reflektierende Lernen, bei dem es um Selbstreflexion und das persönliche zukunftsorientierte Wachstum geht.
Die Kombination aus Unterricht, Pflichten an Bord und das Erlernen des Segelns stärken Teamwork, Belastbarkeit und Zeitmanagement. Statt in der Schule zu Hause zu sitzen, klingt all dies nach der perfekten Erfahrung auf dem Weg zur Persönlichkeitsentwicklung der jungen Erwachsenen.
Der pädagogische Wert dieser Reise ist sicherlich unbestritten. Da dieses Programm mit sehr hohen Kosten verbunden ist, kommen diese Teenager zwischen 15 und 19 Jahren aus einem sehr reichen sozioökonomischen Hintergrund und verfügen über ein manchmal verzerrtes Bild von Luxus und ökonomischer Notwendigkeit. Demzufolge findet eine „natürliche“ soziale Selektion durch die extrem hohen Teilnahmegebühren im Vorfeld statt.
Unsere Aufgabe und auch unsere Berufung auf den Kapverden ist es, den Jugendlichen eine andere Kultur und Lebensweise näher zubringen. Das Angebot auf den Kapverden soll ihre Hands-on-Mentalität, ihr Umweltbewusstsein und ihre kulturelle Toleranz sowie ihren Blick auf unterschiedliche Lebensstandards verbessern. Es geht nicht nur darum mit dem Vorurteil aufzuräumen, dass weniger Geld zu haben, direkt ein armes und sorgenvolles Leben impliziert. Denn gerade „weniger priviligierte“ Menschen sind in anderen Zusammenhängen oftmals sehr reich. Zusammenhänge, die viel wichtiger sind als der Betrag auf dem Bankkonto.
Ein Teilnehmer aus Bermuda erzählt, er hat die A+ World Academy im Vorjahr auf einem Landgang kennengelernt, so kam sein Wunsch auf, selber am Projekt teilzunehmen.
Die Jugendlichen wurden in drei Gruppen aufgeteilt, von denen jede an einem der drei Tage vor Weihnachten São Vicente erlebte. Sie starteten früh am Morgen und fuhren zu einem der Strände der Insel, um eine Strandsäuberungsaktion zu starten. Unterstützt werden wir von Débora und Helena, die Gründerinnen von Simili und ehemalige Mitarbeiterinnen von vista verde tours. Simili ist ein kapverdisches Startup, das lokales Handwerk und Umweltbewusstsein vereint. Simili gibt dem Müll an den Stränden der Kapverden ein zweites Leben und stellt seit drei Jahren Alltagsprodukte wie Taschen oder Schuhe aus alten Fischernetzen her (upcycling). Außerdem organisieren sie jeden Monat mit einer großen Gemeinschaft Strandsäuberungsaktionen, bei denen unvorstellbare Mengen an Plastik gesammelt werden.
Apropos große Plastikmengen - unsere Gruppen der A+ World Akademie haben einen tollen Job gemacht und sich mit jedem Tag verbessert. Jede Gruppe ging an einen anderen Strand und zusammen sammelten sie rund 1700 kg Müll. Während die erste Gruppe am Praia Grande mit etwa 400 kg begann, sammelte die zweite Gruppe über 500 kg. Am Freitag sammelte die dritte Gruppe unvorstellbare 800 kg in Salamansa. Anschließend besuchten die Jugendlichen die Werkstatt, in der die gesammelten Fischernetze zu Stoff verwebt werden, aus dem das Startup seine Produkte herstellt. Débora und Helena stellten ihre Arbeit vor und gaben den Jugendlichen die Möglichkeit, sich selbst am Webstuhl zu versuchen. Alle halfen mit die Fischernetze zu zerlegen und für den Webstuhl vorzubereiten - eine sehr zeitaufwändige Handarbeit. Nach dieser Erfahrung begannen die Kinder von Salamansa, die ihren Fußballplatz vor dem Haus haben, mit den Schülern zu spielen, ohne sich untereinander verständigen zu können. Mit viel Spaß konnten sie lernen, dass Sport verschiedene Altersgruppen und Kulturen miteinander verbindet, unabhängig davon, wie viel Geld man hat oder wo man herkommt.
Am Nachmittag wurde unser Programm mit unserem vista verde Kollegen Ruben fortgesetzt, der die Jugendlichen zu dem traditionellen Gitarren- und Geigenbauer Luis Baptista begleitete. Er zeigte ihnen den Entstehungsprozess der typischen kapverdischen Instrumente und gab ihnen ein kapverdisches Impromtu. Einige Schüler hatten sogar die Gelegenheit seine Instrumente zu spielen, während andere den Mut fanden, während des Konzerts die Tanzfläche zu eröffnen.
Nach diesem Besuch brachte Ruben die Jugendlichen in den informellen Stadtteil Ribeira Bote, ein Stadtteil im Wandel. Es ist eines der tradiertesten Viertel von Mindelo, gleichzeitig hat es aufgrund seiner sozioökonomischen Struktur einen schlechten Ruf. Es gilt als einkommensschwaches Viertel mit Problemen im Zusammenhang mit Alkohol- und Drogenmissbrauch und ist ein Ort, den die meisten Menschen lieber meiden würden. Wir wollen die Sichtweise auf dieses Viertel verändern und seine reiche Kultur und Geschichte beleuchten. Mehr dazu hier: https://www.vista-verde.com/deshalb-vista-verde/unser-engagement/
Ruben und ein Vertreter aus der Gemeinde informierten die Jugendlichen bei einem Rundgang durch Ribeira Bote. Sie besuchten verschiedene Kunsthandwerker, wie z. B. einen Töpfer und Menschen, die nachhaltigen Schmuck aus Muscheln herstellen. Auch die Kinder von Ribeira Bote begrüßten die Jugendlichen mit einem weiteren Fußballspiel. Anschließend hatten die Schüler die Gelegenheit, einige der typischen kapverdischen Spezialitäten zu probieren, zum Beispiel den traditionellen Cuscuz, ein kapverdisches Frühstücksgericht, das hauptsächlich aus Maismehl besteht und in einem Tontopf gedämpft wird.
Zum Abschluss der Tour bekamen sie einen Eindruck und eine kleine Show der Mandingas von Ribeira Bote, die an den Sonntagen vor dem Karneval in Mindelo zu sehen und vor allem zu hören sind. Durch die Straßen zu tanzen und zu jubeln war ein perfekter Abschluss des Tages für alle.. Man meint sogar gehört zu haben, dass sie den besten Tag seit Beginn ihrer Reise hatten.
Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen (Aristoteles) – das scheint uns in den drei Tagen Zusammenarbeit mit den Jugendlichen in Mindelo gelungen zu sein.
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